IGV-Debatte: „Nach vorne schauen“ reicht nicht
Die Debatte im Landtag vom 7. Mai 2025 zum Postulat der DpL über einen möglichen Widerspruch gegen die Änderungen der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) der WHO hat erneut gezeigt, wie tief die Gräben in der politischen Bewertung der Pandemie und ihrer Folgen verlaufen.
Besonders irritierend war die Aussage der VU-Abgeordneten Tanja Cissé, die in Richtung der Antragsteller erklärte: „Bitte schliessen Sie Frieden mit diesem Thema. Es ist 5 Jahre her. Tun Sie sich und allen anderen einen Gefallen und schauen Sie nach vorne. Ansonsten verpassen Sie das Leben“ (Cissé Tanja: Sitzung Landtag des Fürstentums Liechtenstein vom 07.05.2025, Traktandum 13. In: https://vimeopro.com/landtag/mai2025/video/1082470327, zugegriffen am 10.05.2025, hier ab Minute 19:38.)
Diese Aussage fiel nicht im Rahmen einer Vergangenheitsdebatte, sondern während der Beratung über ein völkerrechtlich bindendes Regelwerk, das bis zum 19. Juli 2025 angenommen oder angepasst werden kann. Eine solche Haltung wirkt nicht nur abwehrend, sondern auch demokratiepolitisch fragwürdig. Denn: Aufarbeitung ist keine Rückschau aus Trotz, sondern notwendiger Teil eines verantwortungsvollen Rechtsstaats – besonders, wenn Grundrechte und nationale Zuständigkeiten berührt werden.
Die Positionen der DpL-Abgeordneten Achim Vogt und Erich Hasler, die auf neue WHO-Kompetenzen, mögliche Überregulierungen und Risiken für die nationale Souveränität hinwiesen, verdienen eine sachliche Auseinandersetzung – keine Abwertung. Auch Johannes Kaiser (FBP) betonte, dass ohne Mitwirkung der Schweiz ein Alleingang Liechtensteins unrealistisch sei – ein Punkt, der zwar pragmatisch gedacht ist, aber den legitimen Wunsch nach politischer Selbstverortung nicht ersetzen kann.
Die MiM-Partei hatte bereits am 12. März 2025 eine eigene Anfrage an die Regierung gestellt – mit konkreten Fragen zu den IGV, zur Petition vom 1. August 2024 und zur Rolle Liechtensteins als souveräner Staat. Die Antwort kam verspätet, bestätigte aber: Ein Widerspruch ist möglich – und wird derzeit intern geprüft.
Doch genau hier liegt das Problem: Die Prüfung erfolgt ausschliesslich durch Regierungsstellen, ohne externe Fachmeinungen oder öffentliche Konsultation. Damit wird ein zentraler demokratischer Prozess weitgehend in die Verwaltung verlagert – obwohl die Auswirkungen potenziell tiefgreifend sind.
Die MiM-Partei fordert daher:
- eine öffentliche Debatte vor Ablauf der Frist,
- die Einbindung unabhängiger, auch kritischer Stimmen,
- sowie eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Frage: Was bedeutet souveränes Handeln in Zeiten globaler Gesundheitsverträge?
Denn „nach vorne schauen“ darf nicht bedeuten, die Augen vor politischen Verantwortlichkeiten zu verschliessen.
Demokratie braucht Erinnerung, Mitsprache – und Mut zur Debatte.
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(Quelle: lie:zeit online, Erstpublikaton 13. Mai 2025)
https://www.lie-zeit.li/2025/05/igv-debatte-nach-vorne-schauen-reicht-nicht/
https://www.mim-partei.li/